„Wie informiert man seriös über eine Massenpanik wie nach der Love-Parade in Duisburg oder nach Anschlag und Absturz, Flut und Dürre? Unter welchem Druck stehen Redakteure und Kameraleute, die die besten Bilder gleich als Erste liefern sollen und zugleich Opfer und Angehörige in ihrer in ihrer Würde schützen wollen? Und wer liefert dann Orientierung? Können die Medien denen Trost spenden, die sie zuvor betroffen gemacht haben?“
Fragen über Fragen. Nur eine Antwort ist sicher: Die Kirche will sich als Expertin für die Antworten ins Spiel bringen. Wenn dem Mensch der Arsch auf Grundeis geht, die Kirche neue Wärme bringt. Und damit das allen klar wird, veranstaltet ab heute Mittag die evangelische Kirche den „1. Evangelischen Medienkongress“ mit dem Untertitel „Medial trösten – ein verantwortlicher Umgang der Medien im Krisen- und Katastrophenfall“. Ganz ohne Scham und ohne Rücksicht auf Interessenkonflikte trifft sich dabei der kirchlich-mediale Komplex im großen Sendesaal des Westdeutschen Rundfunks, der den Kongress mit unterstützt. Das muss ein innerer Kirchentag für den EKD-Medienbeauftragtnr Markus Bräuer sein, der zusammen mit WDR-Intendantin Monika Piel das Ganze eröffnet.
EKD-Präses Nikolaus Schneider darf sich im Gespräch mit RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel als Fachmann für „mediales Trösten“ profilieren. Es moderiert der WDR-Redakteur Arnd Henze, der in der evangelischen Kirche in Köln-Dellbrück auch Politdiskussionen veranstaltet. ZDF-Vize-Chefredakteur Elmar Theveßen darf mal wieder aufs fromme Podium – ein Mann, der in Vorträgen bei katholischen Akademien die exotische These vertritt, Gottlosigkeit fördere den Terrorismus. Und auch die zweite Reihe kommt in Arbeit und Brot. Es moderiert unter anderem Susanne Wieseler, die im WDR schon als leuchtendes Beispiel von Bürgersinn präsentiert hat, wenn Monschauer Bürger in Eigenarbeit ihre Kirchturmspitze vergolden.
Katastrophen sichern den Kirchen ihren bedeutungsvollen Arbeitsplatz, und die Sender packen gerne mit an. Ist das Haus explodiert, die Massenpanik vorüber und der Amokläufer am Ziel angekommen, dann packt der Pfarrer sein neonfarbenes „Notfallseelsorge“-Westchen ein, und Bischof, Präses und Superintendent schreiten zum Diktat wohlgewählter Tröstungsformeln für die „ökumenische Trauerfeier“. Die öffentlich-rechtlichen Sender nehmen dann hunderttausende Euro in die Hand und schicken Armeen von Kameraleuten, Kolonnen von Ü-Wagen und Beleuchtungsfahrzeugen zur Kirche, um das Ganze mediengerecht zu inszenieren. Weil sich alle über diese Aufgabe so einig sind, wirkt das Programm des zweiten Kongresstages wie eine Fortbildungstagung für Kirchenredaktionen und kirchliche Medienbeauftragte, die bei „riskanten Liturgien“ (so der Obertitel zweier Vorträge) die Koordination haben.
Hier tritt derselbe WDR auf, der freien Mitarbeitern, die einmal außerhalb des Senders eine Gewerkschaftsveranstaltung moderieren, wegen „Interessenkonflikten“ mit Auftragsentzug droht. Unter journalistischen Altarschwalben wird hingegen genüsslich zelebriert, was anderswo als unanständig gilt – die Aufgabe medialer Unabhängigkeit in kuscheliger Wärme unter den Talären des Klerus. Die Inzucht der elektronischen Medien mit den Kirchen ist so alltäglich, dass es niemand bemerkte, würde im großen WDR-Sendesaal auf offenem Podium eine reale Fellatio zelebriert. Denn eigentlich geschieht das längst.
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