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Horst Köhler und der universell-gesamtevangelische Rücktritt

Ernst und wortreich: Margot Käßmann und Horst Köhler

Fotos: Agência Brasil / evangelisch.de-->flickr - Montage: Ulli Schauen

Horst Köhler hat auf dem Rückflug von Afghanistan eine rote Ampel übersehen und sich unmissverständlich für Militäreinsätze zur Sicherung von Handelswegen und Wirtschaftsinteressen ausgesprochen. Wofür wir ihm 1,54 Promille in Grundgesetzkenntnis einräumen wollen. Als wir ihn aber richtig verstanden und deshalb kritisierten, war er beleidigt, verwechselte sich selbst mit dem Amt und sah seine eigene psychische Beschädigung als Schaden seines Amtes. Anders als Frau Käßmann allerdings gab er bei seinem Rücktritt kein Schuldbewusstsein zu erkennen.

Die Kirchen bedauern den Rücktritt des beleidigten Politikers. Kein Wunder. Er ist einer von ihnen. Er riecht wie ihre Oberen, er spricht wie sie, er bewegt sich wie sie. In seinem Amt verliebte sich der Ex-Sherpa (Lastenträger/Organisator für Minister) so ins Predigen wie sie. Nicht einmal „Bruder Johannes“ Rau, der Bundespräsident aus dem evangelischen Wuppertal, hatte sich in seiner Amtszeit derart intensiv auf die Seite der Kirchen geschlagen. Seine Reden garnierte Köhler mit Sätzen wie „Dafür bete ich“ und „Gott schütze dieses Land“. Das darf er, wir haben Religionsfreiheit. Aber Köhler hat die Kirchen zuletzt öffentlich zu intensiver Missionsarbeit aufgefordert und damit seine Position als Präsident aller Deutschen – auch der Andersgläubigen und Ungläubigen – verlassen. Manche haben sich schon lange gefragt, ob sie die Anmutung des nun zurückgetretenen Bundespräsidenten Horst Köhler als stockevangelisch oder als stinkevangelisch bezeichnen sollten.

Das Publikum steht auf schuldbewusste Protestanten im höchsten Staatsamt. Aber sie sollten rhetorisch doch mehr drauf haben als Köhler, der statt einer richtigen Begründung in seiner Rücktrittserklärung  einige Sätze zusammenhanglos nebeneinader stellte. Vor allem beim evangelischen Lavieren zwischen Schuld, Sühne und Vergebung, hochmütiger Besserwisserei und demütiger Glaubwürdigkeit erwartet das Volk mehr Routine. So hat folgerichtig der Popstar unter den Protestantinnen, Margot Käßmann, Stunden nach Köhlers Abgang, beim online-Voting des Berliner Tagesspiegel die meisten Stimmen als mögliche Nachfolgerin gesammelt. Mit 36 Prozent führte sie unter zehn KandidatInnen am Morgen danach vor Joschka Fischer (17 Prozent).

Da Frau Käßmann gute Erfahrung im Zurücktreten hat, wäre sie sicher geeignet. Und für ihren Rücktritt als Bundespräsidentin schlagen wir folgende universal-gesamtevangelische Rücktrittserklärung vor, die mit einem Schuss Beleidigtheit garniert ist:

„Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt mit sofortiger Wirkung. Hiermit erkläre ich, dass ich mit sofortiger Wirkung von allen meinen Ämtern zurücktrete.
Mein Herz sagt mir ganz klar: Ich kann nicht mit der notwendigen Autorität im Amt bleiben. Ich danke den vielen Menschen in Deutschland, die mir Vertrauen entgegengebracht und meine Arbeit unterstützt haben. Ich bitte sie um Verständnis für meine Entscheidung.
So manches, was ich lese, ist mit der Würde dieses Amtes nicht vereinbar.
Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen.
Es war mir eine Ehre, Deutschland zu dienen. Ich habe all meine Kraft in diese Aufgabe gegeben. Ich bedauere, dass meine Äußerungen in einer für unsere Nation wichtigen und schwierigen Frage zu Missverständnissen führen konnten. Ich danke allen Menschen, die mich so wunderbar getragen und gestützt haben, für alle Grüße und Blumen. Es tut mir Leid, dass ich viele enttäusche.“

(Die Textbausteine dieser Erklärung wurden montiert aus den Erklärungen von Horst-Köhler am 30. Mai 2010 als Bundespräsident und der von Margot Käßmann als evangelische Bischöfin und Vorsitzende des Rates der EKD am 24. Februar 2010.)

Ulli Schauen