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Der Fall Mixa und das System Kirche

Kleiner Mixa-Mix – Sedisvakanz. Installation von Wolfgang Keller, Mai 2010

"Kleiner Mixa-Mix – Sedisvakanz". Installation von Wolfgang Z. Keller, Mai 2010, Antiker Barocksessel, aufgerichtet, Teppichklopfer, Bischofsschuhe, HBT 91 x 73 x 80 cm

Nicht Bischof  Walter Mixa ist das Problem. Das Problem ist, dass ein feudalistisches System wie die katholische Kirche solche Menschen wie ihn in eine Position bringt, wo sie frei schalten und Unheil anrichten können. Eine Position, aus der ihn niemand anderes entlassen kann als ein einzelner Mann – der Papst.

Dass ein Vorgesetzter seine Untergebenen sexuell bedrängt, wie es Mixa mit mindestens einem Priester getan haben soll – das kommt in vielen Unternehmen vor.  Dass eine Führungskraft die Kasse seines sozialen Projektes für Luxusanschaffungen zweckenfremdet – keine Spezialität der Kirchen. Dass leitende Angestellte Schutzbefohlene mit Worten und Taten misshandeln, wie es Mixa vorgeworfen wird – auch das kommt nicht nur bei den Kirchen vor.

Doch was all den Amtsmissbrauch erleichtert und oft auch verschlimmert, ist die Kirchenhierarchie. Ein Bischof steht in der vierten Hierarchieebene dieser Institution – wovon die beiden ersten – Gott und Petrus dauerabwesend und schweigsam sind. Niemand als der Papst ernennt ihn, nach Konsultationen mit dem Kirchenapparat. Wenn der Bischof erst einmal auf  seinem Stuhl sitzt, dann hat er – allen Diözesanräten zum Trotz – absolute Macht in seinem Bistum. Er ist oberster Gerichtsherr und oberster Arbeitgeber, er erlässt Gesetze und Verordnungen und hat Verfügungsgewalt über die Kasse des bischöflichen Stuhls.  Die staatlichen Gesetze garantieren ihm in seiner Verwaltung absolute Bewegungsfreiheit, der Bischof kann heuern und feuern wie er mag. Mitwirkungsrechte und Transparenz lässt der Bischof zu, wie er mag – und entzieht sie gegebenenfalls auch wieder.

In seinem Reich versprechen höfische Günstlingswirtschaft,  Geraune und Mobbing, Liebedienerei und Falschheit mehr Karrierereerfolg als eine ernsthafte Arbeit „am Weinberg des Herrn.“ Wenn der Bischof ein „guter“, ein „weiser“ Fürst ist, dann fällt seine allumfassende Macht nicht so sehr auf – Laien und Klerus schätzen und verehren ihn. Womöglich lässt sich mit ihm trefflich reden und offen diskutieren. Doch auch ein weiser Fürst bleibt absolutistischer Herrscher. Alles was unter ihm gedeiht, kann sein Nachfolger schon wieder zunichte machen.

Und was können die Leidenden der katholischen Kirche gegen einen Mann vom Schlage Mixas machen? Es bleibt ihnen nichts anderes als Geraune und Anpassung, Larvieren und Nichauffallen. Einen Erfolg versprechenden Kanal für ihre Unzufriedenheit haben die „Schafe“ nicht, die unter einem solchen  „Hirten“ leiden. Sie laufen Gefahr, dass ihnen das Fell geschoren und dass sie geschlachtet werden, wenn es dem Hirten gefällt.

Ganz selten ist es, dass sie – wie nun b ei Mixa – ihre Chance bekommen. Dann aber nützen auch den Untergebenen des Bischofs die Mittel, die sonst ihm zu Diensten stehen: Mobbing und Intrige. Das ist das Tragische am Fall Mixa. Vor über zehn Jahren haben Vertraute aufgeschnappt, wie er angeblich einen Priester im Urlaub homophil bedrängte. Jetzt erst hat diese lange gehütete Information Folgen. Seit langem gilt ein Alkoholproblem Mixas als offenes Geheimnis. Seine Selbstherrlichkeit und Selbstüberschätzung haben alle erleben können, die von ihm gelesen haben oder ihn im Fernsehen sahen. Doch so lange der Schein nach außen gewahrt bleiben konnte, blieb Mixa wo er war – ganz oben. Es in der Kirchenhierarchie keine eingebauten Mechanismen der Korrektur.

Bischöfe gelten via Papst als von Gott eingesetzt – wer darf an so einem Gottesvertreter herum  kritteln? Deshalb ist es in letzter Instanz die Bezugnahme auf einen absoluten Gott, der diesem Apparat im Wege steht. Es ist ein dem System Kirche innewohnender, nicht zu beseitigender Fehler.

Ulli Schauen

(Die Installation auf dem Foto wurde im Mai 2010 in Schrobenhausen ausgestellt, dem früheren Wirkungsort des Stadtpfarrers Walter Mixa – zur Website des Künstlers Wolfgang Z. Keller)

Trauer bei Kirchenhasser nach Mixas Rücktritt

Statue einer Trauernden

Foto: Linda Graindourze


Mit großem Bedauern haben Kirchenhasser das Rücktrittsangebot des Augsburger Bischofs Walter Mixa zur Kenntnis genommen. Mixa werde ihm fehlen, sagte „Kirchenhasser“-Autor Ulli Schauen in Köln. Es sei zu befürchten, dass sich womöglich allmählich eine bescheidenere katholische Kirche entwickele – geleitet von Bischöfen, mit denen man ganz normal diskutieren könne und die ihre Institution nicht mehr im Besitz der absoluten Wahrheit wähnten.

Allerdings: „ Auch wenn der Rücktritt von Mixa natürlich ein Rückschlag ist – ich bin zuversichtlich, dass Kirchenhasser auch noch in den nächsten Jahrzehnten, womöglich Jahrhunderten, eine wichtige Rolle spielen können“, sagte Schauen mit Verweis auf die mindestens 1,8 Millionen Kirchenbeschäftigten und auf Legionen von den Kirchen willfährig dienenden Politikern und Kirchenlobbyisten in Kommunen, Land, Bund und EU. Unabhängig davon, wer die Bischofsämter bekleidet, sie außerdem schon ihre schiere Machtfülle kritikwürdig. „Ein weiser König ist und bleibt dennoch König – also ein Anachronismus.“

Mit seinem Rückzug verliere ein großartiges Dreigespann, das MMM-Trio der deutschen Bischöfe (Joachim Meisner, einen profilierten Exponenten, der immer für ein knackiges Kirchenhasser-Zitat gut war. Zuverlässig hat Mixa stets die „Verdunstung menschlicher Werte“ in der Gesellschaft und „aggressiven Atheismus“ beklagt, wenn ein Alois Glück auch nur ansatzweise den Zölibat aufweichen wollte. (Seite 230 des Kirchenhasserbreviers).
Vom Publikum, vom Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks ließ sich „Exzellenz“ gerne devot-unkritische Fragen zu Füßen legen. Er sorgte dafür, dass der Autor Marcus Wegner bei „Menschen bei Maischberger“ ausgeladen wurde, damit Mixa sich nicht öffentlich mit seiner Praxis des Exorzismus im Bistum Augsburg auseinandersetzen musste (S. 85). Seinem Bruder im Geiste Kardinal Joachim Meisner eilte er zur Hilfe, als der Kölner Bischof Prügel bezog wegen seines „Entartete Kunst“-Ausspruchs (S. 255).